Author Archives: Lukas Ley

CouchSurfing-Konzepte im Vergleich

Die Bäume haben ihren Färbeprozess längst abgeschlossen und entledigen sich ihrer Blätter. Die Sommerzeit wurde abgelöst, der Abend beginnt hier schon in den Nachmittagsstunden. Klimaveränderungen gibt es auch in Indonesien. Heftige Regenstürme bestimmen nun den Alltag der javanischen Bevölkerung. Der ewige javanische Sommer weicht einer feuchten und gefährlichen Phase. Bis wenige Tage vor meinem Aufbruch brauchten sich die Javaner und Touristen nicht vor Malaria zu fürchten, jetzt besteht erneut Gefahr, von Mücken angesteckt zu werden. Hier schützt man sich vor Erkältungskrankheiten, Grippen oder Blasenentzündung.

Noch immer fallen mir konkrete Unterschiede zwischen den javanisch-indonesischen und den deutschen bzw. europäischen Denk- und Handelsweisen auf. Noch immer versuche ich sie zu vergleichen und auf bestimmte historische Entwicklungen zurückzuführen. Alle Kulturen sind im Kontext ihrer Historizität zu verstehen, und das gilt auch für Phänomene der Moderne, welche sowohl in europäischen Landschaften als auch in der javanischen Gesellschaft anzutreffen sind. CouchSurfing, das weltweite Online Hospitality Netzwerk, mit dem ich mich im Rahmen einer empirischen Studie seit Mai 2008 beschäftige, hat auch in den urbanen Zentren Javas Anhänger gefunden. Internationale Touristen besuchen während ihrer Reisen lokale Studierende in Yogyakarta oder Semarang. Als ich am Abend meiner Anreise in den Bus von Flughafen Jakarta bis Blok M stieg, wusste ich bereits, dass ich an der Endstation von Fajar abgeholt würde. Dieser junge Mann war von der Idee begeistert, einen jungen Europäer in seiner Heimatstadt beherbergen zu dürfen. Und kurz vor Ende meines Aufenthalts lud er mich erneut nach Jakarta ein, um mit ihm das islamische Idul Fitri (Zuckerfest) zu zelebrieren.

Im Laufe meiner Sprachstudien in Surakarta und während der anschließenden Kurzreise durch Central Java lernte ich zahlreiche indonesische (und malaysische) CouchSurfer kennen, im Rahmen von Besuchen und gemeinsamen Reisen. Eny, eine erfolgreiche Selbstständige in der Möbelbranche, organisierte für zwei russische Reisende und mich einen Wochenend-Trip zu den vom Pauschaltourismus verschonten Karimun Jawa Inseln. Um am Abreisetag früh aufbrechen zu können, reiste ich schon am Vorabend an und verbrachte eine Nacht in ihrem eigenen Haus in Jepara. Vor wenigen Tagen fand das Great Karimun Jawa Gatherin statt, Eny war als Veranstalterin maßgeblich beteiligt und sie hat die gigantische Ansammlung von fremden sowie lokalen CouchSurfern sicher sehr genossen.

CS-Holidays on Karimun Jawa Islands.

CS-Holidays on Karimun Jawa Islands.

Als letzte Begegnung mit CS-Mitgliedern ist das Treffen mit Swastika in Solo zu nennen. Hier fand kein Surfing im traditionellen Sinne statt, sondern wir trafen uns nur, um einen Kaffee zu trinken. Ihr Besuch galt auch einigen Freunden, die in Solo lebten. Nichtsdestotrotz spielte unsere Mitgliedschaft eine gewisse Rolle bei unserem Treffen. Darauf möchte ich später noch eingehen.

Bei einem oberflächlichen Vergleich der CouchSurfing-Welten Europa und Indonesien fallen zwei Dinge auf: Die Gruppe Indonesia zählt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes 2.074 Mitglieder. Die Gruppe mit dem Namen Germany zählt knapp 26.000 Mitglieder. Europa, mit seinen diffusen und unübersichtlichen Formationen und Gesellschaftshybriden, wird von über 700 Millionen Menschen bewohnt. Die Population von Indonesien erreicht ein gutes Drittel dieser Größe. Wenn man nun anerkennt, dass Europa stärker vernetzt ist als das indonesische Archipel, dann wird verständlich, warum eine Gruppe wie Germany so viel mehr Mitglieder hat als die gesamte CS-Community in Indonesien. Nehmen wir also den Vergleich der absoluten Mitgliederzahlen hinzu, der mehr Aufschluss über den Bekanntheitsgrad von CouchSurfing in beiden Gesellschaften gibt: Rund 2.200 Menschen mit angegebenem Wohnsitz in Indonesien sind bei CS registriert. Deutschland liegt mit knapp 75.000 Mitgliedern auf Platz zwei der Nationenrangliste.

Eine Vielzahl von Faktoren kann das Gefälle des Bekanntheitsgrades und der Nutzungshäufigkeit erklären, z.B. könnte die ungleich starke Verbreitung neuer Technologien in den Regionen einen Grund darstellen. Genaue Informationen über den Zugang zu Internet-Technologie stehen mir derzeit nicht zur Verfügung. Als Indiz kann jedoch meines Erachtens auch die Analphabetenrate herangezogen werden: In Indonesien liegt sie noch bei 10 Prozent (mit steigender Tendenz)[1], wie in den meisten Industrienationen „geht in Deutschland der Alphabetisierungsgrad (…) gegen 100 Prozent.“[2] Deutlich wird, dass prozentual mehr Indonesiern der Zugang zum Medium Internet strukturell verwährt bleibt.

Diese reellen Fakten dürfen nicht den kulturellen Implikationen übergeordnet werden, so gibt es zwischen den javanischen und europäisch-modernen Kulturen trotz anhaltender Globalisierungstendenzen signifikante Unterschiede. Um mit Dumont zu sprechen, basiert das europäische Wertesystem einer der Aufklärung geschuldeten Trennung zwischen Sein und Sollen, gemeint sind wissenschaftliche Wahrheit und Moral – vorzufinden sei diese Trennung in „modernen“ Gesellschaften. Die kleinste Einheit im Wertesystem sei das Individuum, das Ideen und Werte miteinander verbinde.[3] Der modernen Denktradition gegenüber stünden die Nicht-Modernen, deren Werturteile einer gesellschaftlich holistischen Denkweise verpflichtet seien. Ich spreche hier eigentlich von der Unvereinbarkeit von Individualismus und Soziozentrismus. Diese philosophischen, aber doch realen Handlungsmodelle erklären erstens den oben genannten Mengenunterschied und bestimmen zweitens den Unterschied zwischen den beobachtbaren CouchSurfing-Praxen.

Insofern ich diese These auf die Deutungsversuche des Verhaltens der CouchSurfer in Indonesien übertrage, können Unterschiede direkt auf den kulturellen Kontext der Mitglieder zurückgeführt werden, nur leider konnte ich den nie eingehend empirisch erfassen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass das CouchSurfing vielmehr als ein interkultureller Raum zu begreifen ist, in welchem sich Akteure und ihre Wertesysteme und Ansichten vermischen. Also genau der Vorstellung von Appadurai folgend konstituieren sie eine Art ethnoscape. Die Konsequenz der Vermischung von kulturellen Handlungsschemata und Ideen sind neue Felder und Welten der Imagination. Inzwischen ist unbestritten, dass Menschen, die durch die Globalisierung Neues erfahren und mitunter aufnehmen oder z.B. in fremden sozialen Kontexten leben, nie völlig assimiliert oder von den neuen kulturellen Strömen durchtränkt werden. Ihre Überzeugungen werden nicht ausgelöscht oder völlig untergeordnet, sondern eventuell erweitert oder modifiziert.

Eingedenk dieser theoretischen Vorschläge möchte ich in meinem kommenden Beitrag auf einige Phänomene der CS-Community Indonesien eingehen und an speziellen Beispielen zeigen, wann mir der Unterschied zwischen indonesischen und europäischen CouchSurfern bewusst wurde.


[3] Dumont schließt eine Sozialethik, d.h. einen gemeinschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Wertkanon, nicht aus.

Back in Cold Times…

I boarded the airplane at around 23:40 last night, the flight from Jakarta to Dubai has been pleasant and entertaining. The staff took care of my new guitar that had to travel with me as hand luggage. By the way, it’s a copy of a Ibanez steel string guitar that probably has never been built that way before, because it has been given shape and life in my neighbor’s living room. Well, he designs and creates guitars in his home and I reckoned that it would be a special gift for someone special and that it would always remind me of the funny conversations I had daily with the people that lived in my street. Wherever I was heading, they gave me their blessing and heartily reminded me to take care of myself.

I am waiting for the ground staff to open the gate 139, giving me the opportunity to board the vessel that is going to send me home. I brought a jacket and a sweatshirt. It was the familiar news broadcast I watched yesterday at Fajar’s place which gave me emotional and physical thrills and caused my cautious behaviour, predicting rain clouds and cold air. Considering to wear a jacket outside brings up weird emotions of familiarity and anxiety, having been exposed to eternal summer in Jawa for about two months.

Jakarta is warming up.

Jakarta is warming up.

The last days in Jakarta have been extremely warm, thus we tried to escape lightexposed places and used the AC whenever possible. Fajar says, he couldn’t sleep without aircondition. I got used to chilly nights that I spent on his rollable spare bed. One day before Hari Raya Idul Fitri I went shopping at Pondok Indah Mall, the fancy refuge for residents of one of the most wealthy areas of Ibukota Jakarta. Before I started the short walk to the big shopping complex, I read an article in the Jakarta Post written by a Jakartan who accused his fellow citizens of being addicted to these perfect shopping facilities, those ugly big buildings that help forgetting the heat outside. What French people call chaleureux, a word making reference to both warmness and heartily behaviour and hospitality, really can’t be applied to Indonesian Malls. The atmosphere is cooled down, reducing the speed of life, inviting people to silently enjoy the world of consumerism.

Well, the outdoor temperature in Germany is way colder than what Jakartans would possibly accept as good shopping conditions and literally survive. When I went for a walk with my parents yesterday, I realized that my fellow citizens had fled the coldness, leaving the streets deserted, what made them appear even colder. And that is a natural reflex to seek more comfortable temperatures. Where had the people that live in this small town gone? Inside.

Odé, merdeka, helas!

Was mag sich hinter diesem diffusen Titel verbergen?

Dieser Titel drückt eine Gefühlsstimmung aus. Er symbolisiert Sympathie und Mitgefühl, welche ich für dieses Land empfinde.

Gestern wurde ich von Pak Yakub, einem Dozenten der UMS, in einen Unterrichtsraum geführt. Vorlesungssaal wäre ein unpassender Begriff. Auch Seminarraum träfe nicht den Charakter der Räumlichkeit. In diesem Raum findet Unterricht statt, ähnlich wie in einem Klassenzimmer. Ein Klassenzimmer für Studenten. Der Raum war bis an seine Ränder gefüllt mit UMS-Studenten; erstes Semester, Bahasa Indonesia. Pak Yakub erzählte mir erst von seinem Plan, als wir am Morgen zu einer normalen Sitzung zusammentrafen. Er sagte: „Du wirst dich gleich einer Klasse vorstellen.“ Ich erwiderte, ich sei nicht vorbereitet.

Das stimmte nicht ganz. Ich wusste genau, was passieren würde. Ich wusste, wie sie mich anstarren würden, vor allem die Mädchen in den ersten zwei Reihen. Die Jungs in der letzten Reihe würden sicher nach 15 Minuten das Interesse verlieren, aber trotzdem laut brüllen, wenn ein Mädchen sich mit einer Frage an mich zu Wort meldete. Ich wusste also im Vorfeld, was sich in solchen Momenten abspielt. Ich meine nicht nur die Ekstase und die aus europäischer Sicht übertriebene Neugier, die meine Anwesenheit häufig auslöst. Ich antizipierte bereits die Art der Kommunikation, die sich dem ersten Kennenlernen anschließt: Das übliche Frage- und Antwortspiel nach Alter, Ledigkeit und Wohnort entwickelt sich zu einer einseitigen Präsentation der Unterschiede zwischen Deutschland und Indonesien. Natürlich kann nur ich diese Rede halten, denn keiner der Studenten hat das indonesische Archipel je verlassen. Wie Pak Yakub etwas hochnäsig bemerkte, sei die Mehrheit noch nie in der Hauptstadt Jakarta gewesen. Ich spielte dieses Spiel vielleicht schon gekonnt, lachte in den richtigen Momenten über die sprachlichen Hindernisse unseres Austauschs und begann die Situation zu genießen. Immerhin referiere ich vor einem versammelten Seminar.

Das Gespräch entwickelte sich langsam zu einer ruhigen Debatte über den Unterschied zwischen Deutschen und Indonesiern. Pak Yakub brachte erneut seine Missgunst gegenüber seinen Mitbürgern zum Ausdruck. Sie bedächten nicht die Zukunft, seien faul und stellten keine Nachfragen, sollten sie etwas nicht verstehen. Diese Kritik richtete sich deutlich an seine eigenen Studenten. Deutsche Schüler hingegen stellten so lange Fragen, bis sie einen Sachverhalt verstünden. Die deutsche Nationalmannschaft spiele mit Verstand, die Indonesier benützten nur die Beine. Und so weiter. Trotz dieser oberflächlichen Analyse der psychischen Unterschiede der Bürger Deutschlands und Indonesiens, stimmte ich in manchen Punkten zu, andere Bemerkungen gefielen mir gar nicht. Die Aussage, Deutsche seien fleißig, konnte ich aus zwei Gründen nicht gelten lassen:

  1. Deutsche sind nicht fleißig, sie hoffen nur, nicht ihren Wohlstand verlieren. In anderen Worten: Beim Arbeiten denken sie vor allem an Geld.
  2. Ein Großteil der deutschen Arbeitslosen befindet sich schon lange nicht mehr auf Arbeitssuche. Daran sind fehlende Arbeitsplätze und langfristige Arbeitslosenhilfen schuld.

Den ersten Punkt erwähnte ich, der zweite musste aufgrund meines noch bescheidenen Wortschatzes wegfallen. Zu meiner Kritik fügte ich hinzu, dass Indonesier ihre Arbeit auf andere Weise verrichteten: Mit Herz („dengan hati“). Ich erhielt Applaus.

Nach der Anhörung vor der Klasse wurde ich von Pak Yakub die Nachbarklasse geschleift. Die Vorstellung nahm ihren gewohnten Lauf, ich erntete neugierige, scheue und gleichgültige Blicke von kopftuchtragenden Studentinnen in den ersten Rängen und wortkargen Jungs in der letzten Reihe.

Wer weiß, welches Wort den Denkprozess auslöste. Aber Irgendwas muss meine Aufmerksamkeit kanalisiert und einen Gedankenblitz verursacht haben. Die Synthese dieses Gedankens würde ich sehr gerne erklären, aber selbst ich kenne nicht den Grund für seine Entstehung. Ich stellte nur etwas Grundlegendes fest: Das ständige Starren, Kichern, Telefonnummern-Austauschen, „Sich-wundern-wer-der-Neue-ist“ und „Seine-Freundin-Antasten-weil-der-Weiße-gerade-vorbeigeht“ gehört zu dem, was ich mir immer gewünscht habe: Interkultureller Austausch. Wie kann das sein?

Am Anfang war der Blick. Der Grund, warum sie mich anstarren und anders behandeln, hat viel mit meiner Motivation zu tun, in dieses Land zu kommen. Sie sind sich nicht der Naivität ihrer Reaktion bewusst, während ich noch immer nicht begriffen habe, was mich bewegt, in fremde Länder zu reisen. Ich kenne Menschen, die scheu auf meine Anwesenheit reagiert haben. Und andere, die sich auf meine Lebensgeschichte stürzten. In beiden Situationen wird das Grundvertrauen in die Normalität des eigenen Lebens kurzzeitig erschüttert.

Bald mehr…

Demokratie begeistert!

Viele Indonesier fasziniert er. Meine Gastmutter erzählt mir fast täglich aus seinem Leben und gibt das Neueste über seine Kandidatur wieder: Barack Obama.

Auch viele Europäer sehen dem Machtwechsel im weißen Haus seit langem entgegen. Die deutschen Zeitungen befassen sich seit Monaten mit der Biographie und dem politischen Programm Obamas, aber hier löst der Werdegang des potentiellen schwarzen Präsidenten Begeisterungswellen anderen Maßes aus. Seine Präsidentschaft scheint vielen Indonesiern am Herzen zu liegen. Vermutlich freuen sich alle ein wenig auf den Moment, wenn Bush nicht mehr die Weltmacht USA regieren darf, aber was genau finden Indonesier an Obama? Ich werde nochmal nachfragen müssen.

Hier ein kurzes Zitat von Chris Martin, der im indonesischen Rolling Stones (Monat August) auftaucht:

„Kalau dunia dapat memilih, tak dapat diragukan siapa yang menang.“
If the world could vote, there wouldn’t be any doubt about who would win.

Ich faste nicht, weil ich kein Christ bin.

Denkt an den Fastenmonat. Hier versuche ich, etwas Rücksicht zu nehmen. Aber eigentlich verlange ich, ganz nach dem Gleichheitsprinzip, beidseitige Toleranz und esse und trinke auch manchmal an öffentlichen Orten. Gleiches gilt übrigens für den Umgang mit Frauen, Kleidung, Schlafgewohnheiten usw. Ich steige ohne Probleme auch bei Frauen auf den Motor-Roller; auf dem Kampus trage ich trotz Verbot Flip-Flops, weil ich keine neuen Sandalen kaufen mag; ich stehe nicht vor 6 Uhr auf, ganz egal, wie schön der Adzan mich und alle anderen Bewohner dieser Stadt zum Beten aufruft. Es geht hier um Austausch, nicht um Assimilierung. Den Respekt, der vielen Menschen hier wichtig ist, zolle ich wie alle anderen auch. Ich drücke ihn durch meinen Sprachgebrauch aus, ich folge eigentlich allen Einladungen und bin immer pünktlich bei Lehrveranstaltungen. Schon häufig wurde ich übrigens gefragt, ob ich nicht in Solo heiraten wolle. Ich antworte immer: “Vielleicht.” Natürlich müsste ich konvertieren, sollte die Heirat in Indonesien stattfinden. Der alte Mann am Eingang der größten Moschee Solos versprach mir, ein Gelöbnis an Ort und Stelle abzunehmen. Er wolle alleinig bezeugen, dass ich ein Moslem werden möchte. Es sei kein Problem, ich bräuchte ihm nur nachzusprechen.

Pendakian Gunung Lawu mit Kommilitonen und Freunden

Pendakian Gunung Lawu mit Kommilitonen und Freunden

Ich dachte gestern über das Wort “Welteinstellung” nach. So kann man die Denkweisen hier nicht bezeichnen. Während wir schon in der Weltsprache denken und Codes für weltweite Geldtransaktionen kennen, dominiert hier noch der Dorfalltag. Ich denke, dass der Großteil der Bevölkerung eine Welt um die eigene Existenz strickt. Also zwischen Reisfeld, Moschee und Markt. Es sollte nie unterschätzt werden, wie viele Indonesier noch vom Reisanbau leben. Überall außerhalb der Städte stehen die Reispflanzen im Wasser, die Terassen werden nur selten trocken. Warum ist dieses Land nur so fruchtbar? Zu Anfang dachte ich ja, wieso ist dieses Land nur so furchtbar? Die Kultur ging mir auf die Nerven. Aber jetzt habe ich schon eine Art Resistenz entwickelt, das kann man wohl Anpassung nennen. Noch immer verzweifel ich am Krampf dieser Gesellschaft, wenn es um Sex geht. Im Fernsehen werden Kussszenen komplett rausgeschnitten! Das heißt, Spiderman bleibt ein Spinnenwesen ohne jeglichen Sexualtrieb. Er bleibt ungeküsst.

If MacBeth had a cellphone

Yesterday, me and a small group of friends went to see a play in Taman Budaya Solo (TBS). Open-air stages and small auditoriums are often used for cultural events, such as dance performances or theatre. In fact, a teacher had told me that an American friend of hers would be performing on Tuesday. When I heard the title of his artwork, I was instantly thrilled. Somehow the word “MacBeth” made me feel comfortable. Mainly because theatre has been an important part of my life, but also because it highly correlates with European culture. But let’s not forget that theatre is very popular in Indonesia, too. Actually, the only thing that had made me solemnly anticipate the evening, was the name of the event that was going to be held in TBS.

Of course, we arrived half an our after the show had begun. We found good seats in front of the scene, though. As soon as we started watching what was happening in front of us, the two real Indonesian among us pulled out their cell phones. One of them bend forward, probably trying to understand what his friend or a family member was submitting to him. I tried to focus on the dancers in front of us. They wore traditional Jawa costumes. But when this guy answered aloud by pronouncing each word without even lowering the volume of his voice, I felt I should ask him to stop annoying me and the rest of the audience. Maybe the two American ladies sitting next to me developed a similar distaste and aggression. Nura was already busy writing short messages and seemed to hear only half of what I said about this absolutely intolerable behaviour. So I let it go and concentrated on what was happening on stage.

For everybody interested in both music and dance I will give a rough description of how McBeth can look like when interpreted by a Solonese dance group. The musicians combined Gamelan with rock elements and some electronic beats. The result sounded pretty interesting. Sindhen inputs, the original form of singing during performances of Wayang Kulit, mixed with simple bass-drum kicks and from time to time a weeping guitar dominated the eerie gongs produced by Gamelan instruments. The mixture of musical influences was reflected by a constant change of choreographic patterns. But sometimes the movements didn’t quite match the musical backdrop, especially when the characters danced a slow waltzer, being lead by what I consider as a definitely atonal Gamelanlike storm of simply wrong sounding tones.

The next day I learned during a lesson about speaking Bahasa Indonesia that there is only one moment when an Indonesian turns off his cell phone. That is when he prays. In my mind I started making a list of places and events where using cell phones is prohibited in Germany and Western civilisation. Quite a few, don’t you agree?

Pak Bambang performs tradtional Jawa dance.

And Nura says…

«Yang mengetahui kebutuhkan dan kondisi

diri kita adalah diri kita sendiri. »

Nura and me

Nura and me

Früh aufgestanden.

« Diese Kultur ist einzigartig, vor allem steht sie früh genug auf,

um ihren eigenen Weg zu gehen. »

Becak Impression

Becak Impression

Glauben – eine freie Entscheidung?

Ich sprach heute mit einer Dozentin über die gesellschaftliche Ausübung von Kontrolle in Solo. Unser Verhältnis ist sehr freundschaftlich, verglichen mit der Umgangsweise zwischen mir und anderen Lehrern. Wir benutzen häufig die englische Sprache, wenn wir debattieren oder persönliche Meinungen zum Ausdruck bringen wollen. Ich hatte das Thema angeschnitten, nachdem sie sich nach dem Erfolg meiner Integrationsversuche erkundigt hat. Langsam bewegte sich das Gespräch auf Regeln für „gute“ Moslems zu. Sie betonte zunächst, ihr Kopftuch aus freien Zügen zu tragen. Die Entscheidung habe sie selbst getroffen, im Anschluss an eine Art Offenbarung auf der Straße. An einem Tag wie jeder andere beobachtete sie eine zu elegant gekleidete junge Frau und erkannte angeblich ihre Pflicht. Sie diskutiert häufig über ihren Glauben und studierte zwei Jahre in Australien, wo sie das Tragen von Kopftüchern (und andere islamische Prinzipien!) bereits rechtfertigen lernen musste. Sie behielt ihre Praxen bei. Trotz Widerstand aus der eigenen Familie, lebe sie ihren Glauben richtig und ohne Einschränkungen aus. Ich bin beeindruckt von ihrer Einstellung und Reflektiertheit. Auch erkenne ich in dieser Frau eine für indonesische Verhältnisse emanzipierte und hoch-ambitionierte Frau. Nichtsdestotrotz traf ich auf einen Widerspruch in ihrer Argumentation:

Für sie sei es eigenen Angaben zufolge wichtig, dass eine Muslima aus freiem Willen alle Pflichten einer muslimischen Frau einhält, darunter fällt das Tragen eines Kopftuchs in Gegenwart von Männern, in der Öffentlichkeit allgemein und vor allem außerhalb des eigenen Hauses. Um ohne Kopftuch schwimmen zu können, könnten Muslima in Frauenbäder gehen, wie sie erwähnte. Auf jene Frauen angesprochen, die ihr Haar und Teile des Gesichts nicht bedecken, erzählte sie eine Anekdote aus ihrem Lehrerleben. Während des Unterrichts trügen viele ihrer Studentinnen Kopftuch. Habe sie sie jedoch später auf der Straße gesehen, seien diese unbedeckt gewesen. Ihr sei das prinzipiell egal, denn jede Frau müsse für sich entscheiden, was korrekt für sie sei. Doch sobald sich diese Studentinnen aufgrund eines plagenden Gewissens bei ihr entschuldigten, wehre sie nur ab und früge stattdessen: „Glaubst du denn, dass du eine gute Muslima bist?“

In diesem Moment verwunderte mich ihr forscher Blick, den sie wohl aufsetzte, um sich selbst zu imitieren. Mir offenbarte sich eine neue Form der gesellschaftlichen Kontrolle, nur war ich überrascht, sie auch bei dieser liberalen Frau anzufinden.

Unbestritten ist die Rolle des Schulsystems bei der Vermittlung von kulturellen und gesellschaftlichen Werten.

Berichte aus Jawa Tengah

Dieser Web-Blog soll meine Überlegungen, entstanden während eines Aufenthalts in Surakarta/Central Java, wiedergeben. Sowohl literarisch als auch desöfteren aus kulturanthropologischer Sicht werden meine Reiseerlebnisse durch das Gebiete Javas verarbeitet. Ich möchte darstellen, welche Gedanken mein alltägliches Leben entstehen lässt und auf welche Weise mich mein Umfeld inspiriert. Darüber hinaus suche ich Gründe für die Auslösung dieser Gedanken. Wieso reagiere ich verärgert auf Freundschaftsangebote? Wann wünsche ich mir mehr Verständnis oder Intimität von meinen Mitmenschen? Welche sozialen Bedingungen machen eine Annäherung zu speziellen Personen unmöglich? Sind diese Barrieren umgänglich?

Für eine nachvollziehbare Darstellung meiner Auslegungen, mögen sie persönliche Ängste, Bewunderung oder kulturelle Grenzerlebnisse betreffen, werden regelmäßig Fotos präsentiert.

Meine Mitbewohnerin und Kommilitonin Serena Müller wird ihre eigene Sicht bestimmter Kulturaspekte oder Erlebnisse hinzufügen, um entweder meiner subjektiven Sicht mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen oder gegebenenfalls den Blickwinkel meiner eingeschränkten Perspektive auf noch Unentdecktes zu richten.

Ebenfalls wichtig sind Beiträge von Freunden, Reisenden und Einheimischen. Jeder, wirklich jeder, der eine Meinung über Java hat, soll und kann sie hier veröffentlichen. Ich lade also alle ein, sich zu beteiligen, wenn Interesse besteht!